Impulse für lebensnahen Glauben


- gehalten am 13. Juli 08 in der Uracher Amanduskirche

 


Wenn man auf das eigene Leben zurück blickt – und sich fragt: was man eigentlich getan hat und worin der Sinn wohl lag von dem, was einer gewesen und geworden ist – dann kann man herausfinden:

Es hat bestimmte Knotenpunkte – Verdichtungsmomente – in der eigenen Entwicklung gegeben.

Solche Verdichtungsmomente sind in der Regel von explosiver Intensität – so als wenn Gott selber für einen entscheidenden Augenblick einen vor die Frage stellt: „Was willst du jetzt – weiter machen wie bisher oder mit mir zusammen Neuland entdecken?“

 

Drei solcher Schlüsselerlebnisse möchte ich heute ein wenig skizzieren:

 

1)      Es war auf einem Dorf im heidenchristlichen Norddeutschland. Ich muss ca. 5 Jahre alt gewesen sein und geriet – ich weiß nicht wie – in eine vorösterliche Kindergottesdienst- Feier. Und dann erzählte jemand von einem Jesus,

-         der gefangen genommen werden sollte

-         den einer seiner Freunde bis aufs Blut verteidigte, indem der einem Soldaten das Ohr abschlug

-         und der dann zu meinem Erstaunen in der Lage war, dem Geschlagenen wieder zu vollem „Stereo-Hörgenuss“ zu verhelfen

Da war es das erste Mal, dass ich über Jesus staunen musste – natürlich zuerst einmal über das Wunder, das er tat. Was für Möglichkeiten hat er zur Verfügung.

und ich dachte:          „Den musst du dir auf jeden Fall merken!“

Aber zugleich staunte ich insgeheim wohl, wieso er seine Macht gegenüber den Soldaten nicht aus spielen wollte – sich bewusst klein machte –   Dem Geheimnis wollte ich nachgehen!

Und als ich dann später auf der Uni hörte: „Jesus kündigte das Reich der Möglichkeiten Gottes an – und was dann kam, war halt die Kirche“ - da wuchs in mir die Neugier auf eine


                


-  Kirche sozusagen als Gegenmodell gegen das Große und Pompöse – als Gegenmodell gegen allen Machtgeist…

 

2)      Als Konfirmand hatte ich ein typisch norddeutsches Verhältnis zur Kirche: „Man gehörte zur Kirche, aber man geht nicht hin – so wie man vielleicht insgeheim Glaube hat, aber man redet nicht drüber!“ Die Kirche war mindestens so weit weg von meinem Leben, wie der dunkle Talarmann auf der Kanzel von seinen Zuhörern meist im hinteren Teil des Kirchenschiffs

2)Und dann kam die Einladung unseres Pfarrers, nein, nicht zu einer Gebetsübung –das hieß: zu einem Fußballspiel. Und die Sensation: unser Pfarrer Müller spielte mit – und gar nicht einmal schlecht! Man stelle sich das vor: im Jahre 1959!

2)Dieses Aha-Erlebnis hat mich geöffnet für ein neues Bild von Kirche:

 

 

 

KIRCHE ALS MITEINANDER AUF GLEICHER AUGENHÖHE

Kirche, wo einer nicht qua Amt alles Wichtige schon weiß, sondern sich einbringt mit seinen stärken und Schwächen in die Mannschaft der Mitchristen vor Ort und deren ganz unterschiedlichen  .

Kirche nicht in der Unterscheidung von oben und unten, sondern im Grundbewusstsein: „Gut, dass wir einander haben…“(sie kennen diese Hauskreis-Hymne aus den letzten Jahren)

Kirche als Miteinander auf gleicher Augenhöhe

meint nicht Gleichmacherei in der Kirche

meint, dass die sog. Laien nicht durch zu starke Bedeutung der Geistlichkeit in das Bewusstsein geistlicher Unbedeutendheit und damit Passivität gedrängt werden.

Die Evangelische Kirche rühmt sich, im Besonderen eine Kirche des Wortes zu sein.

„Kirche des Wortes“ – und man sieht vor sich die Bibel auf dem Altar  - und man sieht hinauf zur Kanzel und der Wortgewaltigkeit mancher Prediger

Ich habe mich in den letzten 35 Dienstjahren gerne in den Dienst einer Kirche des Wortes gestellt – habe gerne (und daher oft wohl zu lange) gepredigt

Aber sind solche Predigten einzig schon das, was Jesus wirklich meinte und praktizierte, als er seine göttlichen Impulse ausstreute übers Land in Lehrworten, Gleichnissen usw. – übrigens alles Worte in ungewohnt kleinen Dosierungen?

Es geschieht nicht nur in akademischen Predigten, sondern im Hin-und-her-Gewoge der Meinungen im abendlichen Miteinander im Hauskreis jenes Wunder, dass Jesus die Worte von Gott her so formt, dass sich darunter in Zeichen und Wunder die Wirkkräfte Gottes vollziehen.    

         Es lohnt, das einmal mit zu leben, wie man dort einander predigt in kleinen Impulsen                und Bemerkungen, aber auf gleicher Augenhöhe!

und mancher fühlt sich am Schluss unerwartet und unverdient wertgeschätzt und angenommen

ein anderer fühlt sich beim Abschied getröstet

einem Dritten wurde der Blick klar gemacht und sein Horizont erweitert

wiederum einer geht gestärkt – wohl möglich: neu motiviert – nachhause

Nicht wahr? Das sind alles auch Kostbarkeiten in einer Kirche des Wortes – nun aber Predigten auf gleicher Augenhöhe, nur anders geboren und leider in der Kirche oft geistlich übersehen

Was da in der Tiefe passiert – ich kann es nachzeichnen in Nähe zur Wundertätigkeit Jesu:

Immer wieder sieht Jesus sich herausgefordert, der Stummheit unter uns Menschen heilsam zu begegnen

Ein Mensch – um menschlich zu leben – muss sprechen können,

sonst ist er wie der blinde Bartimäus vor den Toren von Jerichos – so bedeutungslos lebte er inmitten einer Gesellschaft, dass sie ihm bis zur Stunde noch nicht einmal einen Eigennamen gegeben hatte

der von seiner Umgebung schier weggekickt wurde, als er sich bei Jesus bemerkbar machen wollten

Jesus ist ergriffen von diesem Stumm-gemacht-Werden jenes Blinden von Jericho.

Wir kennen dieses Stumm-gemacht-Werden bis auf den heutigen Tag in unserer Gesellschaft der Starken:

Sage ja nie von Dir etwas Wesentliches, sonst musst du fürchten, dich zu blamieren und lächerlich zu werden

Äußere nur ja kein eigenes Problem, denn das gibt dem anderen Macht über dich, oder du erklärst dich zu einem schwierigen Fall….

Am Ende kann ein Mensch taubstumm werden, weil all das, was er selbst nicht ausdrücken darf, und das, was nicht gesagt wird, menschliche Sprache hohl macht.

Es gibt etwas, das dürfen wir uns nicht aus dem Mund stehlen lassen: Das Sich-aussprechen

Wie viel kostet es, einen Menschen dorthin zu führen, dass (einer endlich ablässt von dem, was man sagt und schon immer gesagt hat)…(er sich endlich wirklich aus zu sprechen wagt)  Hauskreise können davon ein Lied singen…

Wie gibt man einem Menschen den Mut, dass er zum ersten Mal in seinem Leben glauben kann,  e r  habe etwas zu sagen – etwas wirklich Wichtiges beizutragen zum Gespräch der anderen? – etwas mit Bedeutung, was in seiner Art nur er allein so ausdrücken kann?

Wie heilsam im Sinne Jesu können da Begegnungen im Kleinen – in einer Art vertraulicher Kleingruppe…

Probierstuben des Vertrauens – oft belächelt

 Mancher Hauskreis hätte für solche Wunder gegen die Stummheit schon kleine Orden verdient – von der Kirche und von unserer Gesellschaft

Hauskreise der vielen kleinen Worte – und gerade deswegen mutmachend, seinen Mund aufzutun -  als würde Jesus selbst den Mund berühren wie bei dem Taubstummen mit seinem göttlichen EFFATA aus der Reich der Möglichkeiten Gottes - Worum es mir geht: dass unsere Kirche mit ihren Gemeinden endlich erkennt, welchen besonderen geistlichen Schatz sich in ihren Kleingruppen entdecken lässt.

Hauskreise haben für die Kirche zu wenig mit-gestalterische Bedeutung!

Unsere Kirche lässt heute die Hauskreise gewähren

Ihre Kirchengemeinden sind bisweilen froh, dass sie die           Hauskreisteilnehmer einspannen können, wenn’s klemmt

Aber nirgends wird gefragt: Könnten wir etwas lernen von den           Hauskreisen? – Wozu möchten sie uns evt. verändernd anstecken aus           dem Schatz ihrer Erfahrungen?

Und das auf dem Hintergrund dessen, dass „Kirche“ einmal als eine          lockere – aber intensiv wirkenden – Summe von Wohnzimmergruppen begann!

Wann entdeckt die Kirche in ihrer Gesamtheit Hauskreise nicht nur als mögliche Randerscheinungen des Christseins – für besonders fromme Seelen und besonders angeschlagene Gemüter – wann entdeckt die Kirche Kleingruppen als Gewächshauser des Christseins?

Kirche der kleinen Worte Jesu – erfahrbar dann auch in Gottesdienst-Formen, die aus der Stummheit herausführen:






Ich bin fest davon überzeugt, dass an solchen Gottesdienst-Akzenten Hauskreise gerne mitmachen, denn dann finden sie im Großen der Gemeinde wieder, was sie längst im Kleinen ihrer Treffen praktizieren

Ich wünsche meinen drei Nachfolgern aus dem Amt sowie den vier Ehrenamtlichen aus dem Vorstand, dass sie darin erfolgreichere Zugänge zu den wirklichen Entscheidungs-trägern der Kirche finden als es mir vielleicht vergönnt war.

Spätestens, wenn der Finanzgürtel in der Kirche immer enger geschnallt werden muss, - und sich aufwendige Bauten, Orgeln und deren Hauptamtliche nicht mehr im bisherigen Maße leisten kann -wird man sich mit Freude daran erinnern, dass Hauskreise zumindest die kosten-günstigste Form von Christentum ist




3) Ein drittes Schlüsselerlebnis muss ich hier noch erwähnen – aus meiner 11jährigen Praxis als Gemeindepfarrer in Tübingen:

Es muss noch in meiner Anfangszeit gewesen sein, da hatte ich eine ältere Frau – mir als ziemlich regelmäßige Kirchgängerin schon vertraut – durch den letzten und qualvollen Lebensabschnitt zu begleiten: Nach einem Schlaganfall hatte sie tagelang unter ihrem Tisch gelegen, bis man sie endlich entdeckte – und nun konnte und konnte sie einfach nicht sterben.

Und dann ereignete sich das, worauf ich an der Uni nie vorbereitet worden war: In meiner letzten Verzweiflung reichte ich der dieser Frau im Elend das Abendmahls Jesu – und nun war der Weg für sie frei geworden und sie konnte in Ruhe sterben – unfassbar:

„Welch elementare Wandlungskräfte können frei werden, wenn uns Jesus auch nur einen Brocken Brot und einen Schluck Wein reicht!“  Und seither bin ich auf dieser Spur – Kirche im Geist der kleinen Gaben Jesu

 




 Äußerlich ist das Abendmahl ja eine ziemlich unscheinbare Veranstaltung: Man bedenke, was uns gereicht wird: nicht mehr als ein Bissen Brot und ein Schluck Wein. Keinen unserer Gäste würden wir so spärlich bedienen. Aber das Spärliche aus der Hand Jesu in unsere leeren Hände….. es reicht….

Es ist Jesus allein, der in Brot und Wein aufs Intensivste einlädt ins Abenteuer, seine Wandlungskräfte aus dem Reich der Möglichkeiten Gottes neu zu erfahren und wirken zu lassen.

Im Blick auf  diese beiden Winzlingsgaben aus der Hand Jesu wird niemand abgewiesen – so winzig und unwürdig einer sich auch bei sich selber empfinden mag

Das ist praktizierte Annahme in der Kirche oder Hauskreis!

Wie viel Großartiges geschieht bisweilen aus diesem Kleinen!

Warum bringt es unsere Kirche in der Regel nicht fertig, dass man über die Wirkkräfte Jesus im Mahl ins Gespräch kommt –

Kein Mensch darf je in seinem Leben zufrieden sein mit etwas, das weniger ist als von Gott – und mit geringerem, als was ihn selbst in seinem ganzen Dasein meint und leben lässt.